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Verteilungsgerechtigkeit in Zeiten der Krise: OECD-Studie benennt Politikoptionen für Arbeit, Wachstum und sozialen Ausgleich

 

(Berlin/Paris, 23. Januar 2012) In den vergangenen Jahrzehnten haben die Einkommensunterschiede in den meisten Industrie- und Schwellenländern deutlich zugenommen. Länder- und sektorenübergreifende Wirtschaftskrisen, verbunden mit Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten, haben die Ungleichheit zudem weiter verschärft: Sie trafen sozial schwache Gruppen bedeutend stärker als die Mittelschicht. Das belegen zwei vorab veröffentlichte Kapitel der im März erscheinenden Studie „Economic Policy Reforms - Going for Growth“ der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

 

Den Papieren zufolge gehören Maßnahmen im Bildungssektor, ausgewogene Arbeitsmarktstrategien und wettbewerbsoffene Produktmärkte zu jenen politischen Mitteln, die soziale Ungleichheit bekämpfen und gleichzeitig Wachstum und Beschäftigung fördern können. Analysen aus 40 OECD- und großen Schwellenländern (BRIICS) zeigen, dass von Staat zu Staat extrem unterschiedliche Ansätze existieren um die Risiken makro-ökonomischer Krisen gerechter zu verteilen: Während in Deutschland, Österreich und anderen kontinentaleuropäischen Ländern besonders krisenanfällige Bevölkerungsgruppen vornehmlich über soziale Sicherungssysteme gestützt werden, setzen angelsächsische und asiatische OECD-Mitglieder vorrangig auf Konzepte, die es erleichtern, Arbeitskräfte und Ressourcen anders einzusetzen, zum Beispiel eine wettbewerbsfreundliche Regulierung von Produktmärkten.

 

Manche dieser Mittel, wie Kurzarbeitsregelungen, niedrigere Steuern und Abgaben auf Arbeit oder eine zurückhaltende Fiskalpolitik, erhöhen die gesellschaftliche Gleichheit und wirken sich uneingeschränkt positiv auf das Wirtschaftswachstum aus. Andere, wie hohe Mindestlöhne oder strenger Kündigungsschutz schwächen zwar Einkommensungleichheit kurzfristig ab, können aber mit einem Verlust an Beschäftigung und Bruttoinlandsprodukt (BIP) einhergehen. So zeigen die Daten, dass Jugendarbeitslosigkeit in der Finanzkrise vor allem in jenen Ländern sprunghaft anstieg, in denen ein hoher Mindestlohn existierte. Weniger stark zu spüren waren die Auswirkungen auf junge Arbeitnehmer in Staaten, die entweder keinen oder einen niedrigen Mindestlohn hatten. Gruppenspezifische Mindeslöhne für Arbeitsmarkteinsteiger könnten also hilfreich sein.

 

 

Ähnlich differenziert müssen nach Ansicht der Autoren rbeitslosenbezüge und Regeln zum Kündigungsschutz betrachtet werden. Hohe Unterstützungsleistungen am Anfang der Arbeitslosigkeit begrenzen das Armutsrisiko für sozial Schwache. Werden solch hohe Zahlungen allerdings über einen langen Zeitraum gewährt, ohne, dass gleichzeitig auf den Wiedereintritt in den Arbeitsmarkt hingearbeitet wird, dann verkehrt sich der gesellschaftliche Nutzen der Maßnahme.

 

Auch gezielte Schritte zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen ebenso wie von Zugewanderten und Einheimischen können die soziale Ungleichheit eindämmen. Generell hätte eine höhere Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen eine Reduktion des Einkommensgefälles zur Folge. Einen weiteren Doppelgewinn versprechen nach Erkenntnis der Autoren Instrumente, die die soziale Mobilität erhöhen. Frühkindliche Betreuung und verstärkte Förderung von Schülern mit schwierigem sozialen Hintergrund bilden dafür die Grundlage und steigern die Produktivität eines Landes.

 

Ein weiteres Mittel schließlich, das den Arbeitsmarkt dauerhaft ankurbeln und die Einstellungschancen von jungen und älteren Arbeitnehmern in schwierigen Zeiten verbessern würde, sind niedrigere Steuern auf Arbeit. Stark verringerte Abschreibungsmöglichkeiten für Besserverdienende könnten helfen, solche Maßnahmen zu finanzieren. In vielen Ländern existieren Steuervergünstigungen auf Kapitalgewinne aus Aktienhandel oder Immobilienverkäufen, deren Abschaffung dem sozialen Ausgleich dienlich wäre und zugleich Spielräume für eine niedrigere Besteuerung der Arbeitseinkommen eröffnen würde.

 

» Präsentation (ppt, 1,4MB)

» Reducing income inequality while boosting economic growth: Can it be done? (pdf, 909kB, engl.)

» Weitere Informationen - Daten, Grafiken und Länderinformationen (engl.)

» Economic Policy Reforms - Going for Growth 2012

 

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