Geschlechtsbezogene Vorurteile beeinflussen die Bildungsergebnisse von Jungen und Mädchen
(Paris/Berlin - 26. Mai 2009) Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen nehmen im Laufe der Schulkarriere zu. Dies ist auch die Folge geschlechtsspezifischer Vorurteile. Zu diesem Ergebnis kommt die OECD-Studie „Equally prepared for life? How 15 year-old boys and girls perform in school“ , die am Dienstag von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in Paris veröffentlicht wurde. Der Bericht stützt sich auf Daten aus den PISA-Erhebungen und andern OECD-Studien.
So erzielen Jungen und Mädchen in Mathematik gegen Ende der Grundschulzeit bei internationalen Vergleichsstudien fast die gleichen Ergebnisse. Bei der PISA-Studie im Alter von 15 Jahren zeigt sich jedoch ein anders Bild: hier schneiden Jungen in fast allen untersuchten Ländern besser ab als Mädchen. Beim Lesen sind Mädchen bereits in der Grundschule den Jungen überlegen. Dieser Unterschied verstärkt sich in der weiteren Schullaufbahn und ist in den Ergebnissen der PISA-Studie ebenfalls deutlich zu erkennen. Dieses Muster spiegelt sich auch in der Motivation und den Einstellungen der Schülerinnen und Schüler zu den verschiedenen Fächern wider: Mädchen lesen deutlich lieber als Jungen, sind aber gleichzeitig stärker um ihre Leistungen in Mathematik besorgt.
Dass diese Unterschiede eher auf Stereotype als auf unterschiedliche Begabung zurückzuführen sind, legen die Ergebnisse aus dem Bereich "Problemlösung" nahe: Hier schneiden 15-jährige Mädchen ähnlich gut ab wie ihre männlichen Altersgenossen, während sie beim Lösen mathematischer Probleme hinter den Jungen zurückliegen. Die Studie schreibt diesen Unterschied dem Kontext zu, in dem mathematische Probleme in der Schule präsentiert werden, aber auch den Zweifeln der Mädchen an ihren mathematischen Fähigkeiten.
Auch die Entscheidung über den weiteren Bildungsweg und Beruf scheint mehr von Stereotypen als von den tatsächlichen Fähigkeiten abhängig zu sein. So studieren zum Beispiel Mädchen deutlich häufiger Lebenswissenschaften als Jungen, obwohl sich die Leistungen in diesem Bereich kaum unterscheiden. „Viele Länder können mit Recht stolz darauf zu sein, dass Jungen und Mädchen in den schulischen Kernfächern die gleiche Leistungen erbringen“, sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. „Wir dürfen aber nicht akzeptieren, dass Vorurteile wie 'Lesen ist nichts für Jungen' oder 'Mathe ist nichts für Mädchen' weiter bestehen. Solche Ansichten führen dazu, dass unseren Gesellschaften wichtiges Bildungspotential verloren geht.“
Der Bericht zeigt auch, dass Lehrkräfte deutlich mehr für die Gleichberechtigung der Geschlechter tun können. Sie brauchen dazu aber auch die Unterstützung aus der Gesellschaft. Lehrerinnen und Lehrer müssen sich der Erwartungen, die sie gegenüber ihren Schülerinnen und Schülern haben, bewusst werden. Sie müssen Strategien entwickeln, um das Selbstbewusstsein und die Motivation der Schülerinnen und Schüler in ihren schwachen Fächern zu stärken. Dies kann jedoch nicht alleine durch die Arbeit in der Klasse erreicht werden. Lesen etwa ist eine kulturelle Praxis, die durch das soziale Umfeld beeinflusst wird. Um das Interesse von Jungen am Lesen zu erhöhen muss deshalb die Familien und die Gesellschaft stärker eingebunden werden.
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